
Markus Lüpertz, Krieger, 1988, Öl auf Leinwand und Karton, 200 x 163 cm. Foto: Lea Gryze
Markus Lüpertz
In einem angedeuteten Raum, vor einem hastig gemalten Hintergrund werden hier wie auf einer Bühne mehrere Versatzstücke präsentiert. Auf einem Podest steht links eine graue Figur mit buckeligem Torso und hält ein Schild. Das Raster in ihrem Gesicht erinnert an Narben. Am Podest lehnt der Kopf eines Saiteninstruments. Rechts ist ein möbelartiger Aufbau gezeigt, darin erscheint eine athletische Gestalt. Sie ist umgeben von schwer definierbaren Dingen, über ihr sieht man Schuhsohlen, unter ihr eine Ansammlung von Objekten, darunter eine umgestoßene antike Säule. Inmitten der gesamten Szene hängt eine Maske. Sie hat ähnliche Narben wie die linke Figur.
Diese Darstellung fällt in mehrere zentrale Phasen in Lüpertz‘ Malerei. Seit den 1970er Jahren verwendet der Künstler so genannte deutsche Motive wie Stahlhelme, Schaufeln oder Fahnen, die in leeren Landschaften abgelegt werden. Könnte es sich bei der linken Gestalt um einen vernarbten „deutschen Krieger“ handeln, der wie die Trümmer in seiner Umgebung an die Nachwirkungen des Zweiten Weltkriegs gemahnt, während die einzige intakte Gestalt zu einer kleinen, namenslosen Schablone eines Kriegers geschrumpft ist?
Die Dithyrambe
Zeitgleich sucht der Künstler in der von ihm so genannten dithyrambischen Malerei eine Synthese zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion, einen „apollinisch-disziplinierten Rausch“. Die Dithyrambe (gr. dithýrambos) ist ein ekstatisches Chorlied aus dem altgriechischen Dionysoskult. Lüpertz entlehnt es aus Friedrich Nietzsches „Dionysischer Dichtung“. Mit seiner dichten, nahezu kubistischen Motivik oszilliert „Krieger“ zwischen Abstraktion und Figuration, wobei der Kopf des Saiteninstruments nicht mehr zur Begleitung eines Loblieds zu gebrauchen ist. Auf wen soll dieses Loblied denn auch gesungen werden?

Detail: Markus Lüpertz, Krieger

Detail: Markus Lüpertz, Krieger
Der dysfunktionale Körper
Nach Lüpertz‘ Hinwendung zu antiken Motiven folgt seit den 1980er Jahren eine längere Beschäftigung mit dem Werk von Nicolas Poussin und Jean-Baptiste Camille Corot. In Poussins Barockmalerei beherrschen die kräftigen menschlichen Körper den durchkomponierten Raum. Bei Lüpertz entsteht eine völlig andere Wirkung. Der Maler schafft einen strengen, klaustrophobischen Rahmen. Mit diesem Rahmen komprimiert er die Körper und macht sie dysfunktional. Zugleich konterkariert Lüpertz Corots linear strukturierte Landschaftsmalerei in Oliv und Ocker, die weite Ausblicke bietet.
Insgesamt fügt Lüpertz hier ein Bild zusammen, dass Parallelen zur deutschen Geschichte erkennen lässt: zum gebrochenen deutschen Stolz, den unverarbeiteten Traumata, zum Nachkriegsdeutschland, das eher auf Vergessen und Verstummen setzte als auf das Ausleuchten von biografischen Ambivalenzen und nationalsozialistischen Kontinuitäten. Die Malerei von Lüpertz bleibt aktuell, da das Bild dieser Versatzstücke in uns fortlebt und den Rahmen für einen Diskurs bieten kann.