21.11.2014 – 31.01.2015
JULIE
HEFFERNAN
Die Galerie Michael Haas zeigt großformatige Gemälde der New Yorker Malerin Julie Heffernan
Die Gemälde von Julie Heffernan (*1956 in Peoria, Illinois) sind derart vielschichtig, stilistisch wie inhaltlich, dass sie immer wieder aufs Neue überraschen. Obwohl sie unseren Sehgewohnheiten keineswegs entsprechen, sind sie uns dennoch auf unerklärliche Weise vertraut. Die reiche Farbpalette, die räumliche Tiefe und der enorme Detailreichtum fallen bei der ersten Betrachtung besonders ins Auge. In ihrer atmosphärischen, fantastischen Darstellungsweise kommen die Bilder verspielt und romantisch daher. Sie erinnern an die Weltlandschaften des 16. Jahrhunderts, in denen frei komponierte Ideallandschaften als Sinnbild für das gesamte Universum dienten. Dank eines erhabenen Betrachterstandpunktes entfalten sich dort schier endlose Panoramen mit Bergen, Meer, Wäldern oder Flüssen. Die Meister dieses Vorgängers der klassischen Landschaftsmalerei, etwa Pieter Bruegel d. Ä. oder Albrecht Altdorfer, nutzten die malerischen Mittel der Luft- und Farbperspektive, um Schwindel erregende Weiten als Metapher für die Unbeständigkeit der Existenz zu schaffen. Im Vordergrund ihrer Bilder dominieren warme und dunkle, mit zunehmender Entfernung kühle und hellere Farbtöne. Mit ähnlichen Effekten arbeitet Heffernan in ihren monumentalen, unglaublich komplexen Gemälde, die zugleich auch Porträts, Stillleben und Historienbilder sind. So kommen uns Bilder von mit Köstlichkeiten überreich gefüllten Tischen des Barock oder die in verschwenderischem Detailreichtum dargestellten Genre- und Porträtszenen des Rokoko in den Sinn.
Heffernan erzählt in ihrer Kunst von alternativen Lebensräumen, in denen sich Menschen, häufig in Personifizierung ihrer selbst, vor den katastrophalen Folgen der Umweltzerstörung, sozialer Missstände, finanzieller und politischer Entscheidungen oder der globalen Marktwirtschaft retten. Die Thematik der ungewöhnlichen Motive lässt sich niemals mit einem kurzen, oberflächlichen Blick erfassen. Warum etwa arbeitet eine Frau mit einer Motorsäge an einem gigantischen Floß (Self Portrait as Emergency Ship Wright) oder steht eine mit Steinen beladene Frau unter einem dünnen Baldachin, der vermeintlichen Schutz vor vom Himmel herab schwebenden Findlingen bietet (Self Portrait with Sanctuary)? Erst bei genauerem Hinsehen entfaltet sich das ganze Potenzial des fantastischen Heffernan’schen Surrealismus. Unser herantastendes Schauen entspricht durchaus dem künstlerischen Entstehungsprozess: Die Grundidee öffnet wie ein Fenster den Blick für die angehende Arbeit der Künstlerin. So nimmt Heffernan etwa den Hurrikan Sandy oder die Ölkatastrophe der „Deepwater Horizon“ von BP zum Anlass, ein Bild zu malen. Diese Initialzündung kann durchaus im Verlauf der Entstehung verworfen werden, dennoch hilft sie, die gesamte Welt des Gemäldes ins Leben zu rufen. Nachdem das übergeordnete Motiv festgelegt ist, beginnt Heffernan über Monate hinweg wie in Schichten immer tiefer in das Thema einzutauchen. Bis vor einigen Jahren kamen ihr, so die Künstlerin, die Ideen kurz vor dem Einschlafen, als sie endlos viele Bilder im Geiste vorbeiströmen ließ. Auch Standbilder von Filmen oder unterschiedlichste Texte inspirierten sie. Heute ist es, nach ihrer Aussage, vor allem das Werk selbst, das zu ihr spricht und Anregungen liefert.
So beginnt sie, ihre fantastischen Welten mit unzähligen Details zu beleben. Dabei bleibt die Balance zu den zentralen Figuren oder Objekten stets bestehen: Der Mikrokosmos verstellt niemals den klaren Blick auf den Makrokosmus und umgekehrt verlieren die delikaten Details nicht an Bedeutung. So funktionieren ihre Bilder in der Nah- wie in der Fernsicht und lassen uns immer wieder, auch nach langer Betrachtung, neue Entdeckungen machen. Neben den vielen kleinen Dingen üben vor allem die unheimlichen, tragischen und spannungsgeladenen Szenen, die sich an unterschiedlichsten Orten im Bild abspielen, eine besondere Anziehungskraft aus. Diese Nebenschauplätze geben dem Werk ihr Gewicht. Sie werden zu den einträglichsten Elementen ihrer Bilder und erzählen die ganze Geschichte. Heffernan nutzt das Setting einer Landschaft oder eines riesigen Raumes, der sich in einem barocken Schloss wie Versailles befinden könnte, um von ihren persönlichen Hoffnungen und Ängsten zu erzählen. Aus diesem Grund beginnen die Titel ihrer neueren Gemälde auch mit dem Wort „Selbstporträt …“. Es sind keine Porträts der Künstlerin im klassischen Sinne – auch wenn eine gewisse Ähnlichkeit zu einer immer wieder auftauchenden Frau mit langen, roten Haaren besteht. Das Bild in seiner Gesamtheit zeigt uns eine sehr unmittelbare, innere Welt der Künstlerin und wird so im übertragenen Sinne zum Selbstporträt. Es geht um ihr persönliches Empfinden als Frau in diesem Jahrhundert, als Bürgerin einer globalisierten Welt, die, so ihre Befürchtungen, kurz vor dem ökologischen Kollaps steht. Heffernans Geschichten beschreiben imaginierte und tatsächliche Zustände, die die gesamte Menschheit und unseren Planeten betreffen. In ihrer durchschlagenden Aussagekraft sprechen sie wie eine Warnung zu uns. Das Gezeigte scheint vor langer Zeit oder in weiter Ferne zu liegen, und dennoch ist die Realität der dargestellten und suggerierten Umstände offensichtlich und die Thematik brandaktuell.
Text: Janna Oltmanns
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